Niederungen im Klimawandel
Marschenverband überreicht Umweltminister Habeck Bericht zu Anpassungsmaßnahmen
Schlüttsiel - Der Klimawandel wird sich auf die tiefliegenden Niederungen in Schleswig-Holstein stark auswirken. Deshalb hat sich der Marschenverband Schleswig-Holstein seit 2009 mit dieser Frage und möglichen Anpassungsmaßnahmen auseinandergesetzt. Die in einem Bericht zusammengestellten Ergebnisse und Schussfolgerungen seiner Arbeitsgruppe „Niederungen 2050“ wurden Umweltminister Dr. Robert Habeck übergeben.
„Wir wissen zwar nicht genau, wie sich die Klimaveränderungen auf Schleswig-Holstein auswirkt, aber wir können es uns nicht leisten, die Hände in den Schoß zu legen. Wir brauchen langfristig tragende Strategien, um weiterhin eine Nutzung zu ermöglichen und um bei erkennbaren Grenzen Alternativen ausloten zu können“, sagte Robert Habeck. Dem Marschenverband und seinen Mitgliedern dankte er dafür, die Anregung seines Hauses zur Auseinandersetzung mit den Folgen des Klimawandels aufgegriffen zu haben. Zu den Kernpunkten der von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Maßnahmen gehören etwa die Schaffung von Poldern aber auch der Bau von Schöpfwerken, damit die tief gelegenen Flächen nicht unter Wasser stehen.
Betroffen sind vor allem die Niederungsgebiete in den Küstenregionen, die etwa ein Fünftel der Fläche Schleswig-Holsteins ausmachen. Und genau dort, im Übergangsbereich vom Land zum Meer, werden sich die Bedingungen für die Entwässerung im Laufe der Zeit deutlich verschlechtern. Während infolge der Erderwärmung der Meeresspiegel verstärkt ansteigt, kommt es auf der Landseite häufiger zu heftigeren Starkregenfällen, Flächen könnten häufiger überschwemmt werden. Vor allem die im Marschenverband zusammengeschlossenen Wasser- Bodenverbände des Landes werden daher in Zukunft große Anstrengungen unternehmen müssen, um nachteiligen Folgen für die Siedlungen, landwirtschaftlichen Nutzflächen und Naturschutzgebiete in den Niederungsgebieten zu begegnen.
Ergebnis der Arbeitsgruppe „Niederungen 2050“ ist unter anderem, dass das durch Gewässer, Kanäle und Gräben der Nord- und Ostsee zugeleitete Regenwasser zukünftig häufiger und länger vor verschlossenen (Siel-)Toren stehen wird, da der Wasserstand jenseits der Deiche für eine Weiterleitung zu hoch ist. Die Schaffung von Poldern, also allenfalls extensiv genutzten Flächen, in denen sich das Wasser sammeln kann, ist eine wichtige Option. Jedoch ist Land wertvoll und vor allem begrenzt. Daher werden die Wasser- und Bodenverbände um den Bau zusätzlicher Schöpfwerke nicht herumkommen. Der Betrieb energieintensiver Schöpfwerke ist aber teuer.
Hier fordert Hans-Rudolf Heinsohn, Vorsitzender des Marschenverbandes Schleswig-Holstein, größere Solidarität bei der Verteilung der Kosten ein. „Wir sind in den Wasser- und Bodenverbänden auf die gesellschaftliche Einsicht in die Notwendigkeit und bei der Umsetzung der Maßnahmen auf die Unterstützung der Landesregierung angewiesen.In den Niederungsgebieten können wir die steigenden Kosten auf Dauer nicht mehr allein tragen. Die Finanzierung muss daher künftig auf mehr oder breitere Schultern verteilt werden.“
Bislang werden die Mittel zum Betrieb der Anlagen im Umlageverfahren von den Grundstückeigentümern in der Marsch getragen. Heinsohn fordert, dass auch die, über die Niederungen entwässernden und die Aufgabe der Niederungsverbände erschwerenden Grundstückseigentümer des ganzen Einzugsgebietes sich an den betrieblichen Kosten der Anlagen beteiligen. „Schließlich profitieren alle Bewohner des Einzugsgebietes und nicht nur die Eigentümer der tieferliegenden Niederungen“, so der Verbandsvorsitzende.
Weiterer Gegenstand des Berichtes ist der Umgang mit Moorflächen. Statt der jahrzehntelangen Entwässerungsmaßnahmen verbunden mit Sackungsraten von bis zu 1 Zentimeter pro Jahr müssen insbesondere in diesen Bereichen alternative Bewirtschaftungsinstrumente gefunden werden. Das erschwert die Entwässerung zusätzlich.
Weiterhin macht Heinsohn auf die notwendigen Gewässerunterhaltungsarbeiten in großen Teilen der Niederungsflächen aufmerksam, die eine naturnahe Bewirtschaftung der Vorfluter erschweren. Der gemeinsame Wille nach umweltverträglichen Lösungen darf hier nicht zu Lasten der hydraulischen Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems gehen. Durch eine hydraulische Anpassung der Gewässer, z.B. durch Gewässeraufweitungen, könnte beiden Belangen zukünftig in größerem Umfang entsprochen werden.
Niederungen in Schleswig-Holstein: Mit 315.000 Hektar sind ca. 20 Prozent der Landesfläche den Niederungen zuzurechnen (ca. 293.000 Hektar an der Westküste und der Elbe, ca. 22.900 Hektar an der Ostküste). Maßgebendes Kriterium für die Zuordnung ist eine Geländehöhe von weniger als NN + 2,5 Meter, da die Entwässerung bis zu dieser Höhe von den Wasserständen in Nord- und Ostsee beeinflusst werden können. Die geringste Höhenlage ist in den Niederungen an der Westküste durchgehend am Geestrand in den „älteren“ Kögen zu verzeichnen. Der tiefste Punkt Schleswig-Holsteins liegt mit NN - 3,54 m in der Wilster Marsch fast zwei Meter unter dem mittleren Tideniedrigwasser. In ungefähr der Hälfte der Niederungen wird der aus dem Niederschlag resultierende Abfluss ausschließlich durch Pumpen (Schöpfwerke), zum Teil in mehreren Stufen, in Richtung Nord- und Ostsee gefördert. Durch die Niederungen entwässern etwa 420.000 Hektar höher gelegene Flächen auf der Geest und im östlichen Hügelland, zusammen mit den Niederungen selber umfasst die insgesamt zu entwässernde Fläche also ca. 734.000 Hektar (ca. 47 Prozent der Landesfläche). Die von der Geest kommenden Gewässer sind im Bereich der Niederungen teilweise mit Deichen versehen, in die die Schöpfwerke aus den Niederungen hinein pumpen.
Hans-Rudolf Heinsohn, Vorsitzender des Marschenverbandes Schleswig-Holstein, überreichte den Bericht an Umweltminister Dr. Robert Habeck.